Prägnanter hätte der Einstieg in unser Programm nicht formuliert werden können: "If you don’t sit at the table you will be part of the menu." Die österreichische Europaabgeordnete Angelika Werthmann brachte auf den Punkt, was das Thema unserer Brüsselreise werden sollte: Teil sein der Diskussion, Teilhabe an politischen Entscheidungen und Prozessen und Teilnehmen an der Gestaltung Europas.
Es gab nicht weniger als das zehnjährige Bestehen unseres Zonta Clubs Berlin-Mitte zu feiern. Und das wollten wir in der europäischen Hauptstadt tun und dabei Strukturen und Prozesse besser kennenlernen – schließlich wird im Mai ein neues Europaparlament gewählt.
Unser erster Termin führte uns ins Europäische Parlament, wo wir neben Frau Werthmann auch noch die deutsche Abgeordneten Silvana Koch-Mehrin und die ehemalige finnische Ministerpräsidentin Anneli Jäätteenmäki zu einem Mittagessen trafen. Gender Budgeting, die unterschiedlichen Elternzeitregelungen in Europa, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Chancen von Frauen auf und in Führungspositionen – wir waren gleich "in medias res" und tauschten viele Erfahrungen und Ideen aus.
In der Landesvertretung Berlin, einem typischen und wunderschönen Brüsseler Bürgerhaus, trafen wir anschließend den Leiter Dr. Volker Löwe zum Gespräch. Er schilderte uns sehr bildlich die Aufgaben seines Hauses. "Wir sind eine Art Früherkennungssystem für das Land Berlin, müssen quasi das Gras wachsen hören." Die "verbalen Nebelkerzen aus Brüssel" würden seine Mitarbeiter dann für die Berliner Landespolitik "dechiffrieren" und als Übersetzer fungieren. "Europa hat es in den Medien sehr schwer", so Herr Löwe. Das ist für ihn allerdings nur Ansporn: "Wir wollen Europa in die Köpfe der Führungskräfte bringen."
Wie spannend und aufregend das Arbeitsleben in Brüssel sein kann, zeigte uns am Nachmittag Irini Pari, Permanent Delegat des griechischen Wirtschaftsverbandes. Unglaublich begeisternd und sympathisch schilderte sie uns nicht nur ihre Aufgaben, sondern vor allem auch die Situation in Griechenland nach der großen Währungskrise. Ihre Botschaft: Europa ist einzigartig! Leidenschaftlich appellierte sie an uns, die Chance der Europawahl wahrzunehmen und gemeinsam an einem besseren Europa zu arbeiten.
Den Abend verbrachten wir mit Annette Riedel, Brüssel-Korrespondentin des Deutschlandfunks. Auch sie berichtete von den vielen Besonderheiten in Europa und den Herausforderungen als Journalistin, allen Themen gerecht zu werden.
Wie komplex das Gesetzgebungsverfahren in Europa ist und welche Einflussmöglichkeiten die Länder auf die Politikgestaltung haben, erklärte uns am nächsten Morgen Mark Kamperhoff, Referatsleiter in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel. Die "StäV" ist organisatorisch ein Spiegel der Bundesregierung, rund 200 Mitarbeiter sind zusammen die politische Schnittstelle zwischen Deutschland und Europa. An konkreten Beispielen zeigte uns Herr Kamperhoff, wie eine Richtlinie entsteht und immer wieder überarbeitet wird.
Die ganze Reise haben wir unserem Mitglied Antje Gerstein-Kohfeld zu verdanken. Sie leitet die Brüsseler Repräsentanz der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Weil wir unbedingt einmal hinter die Kulissen ihres Jobs und die der Brüsseler Bürokratie gucken wollten, hat sie für uns dieses fantastische Programm organisiert. Und berichtete natürlich auch selbst über ihre spannende Aufgabe als Lobbyistin in Brüssel, die Politikdebatten positiv zu beeinflussen.
Ein rundum gelungenes und sehr informatives Programm für das wir uns ganz herzlich bei Antje und allen Referenten bedanken möchten. Eine politische und kulturelle Horizonterweiterung, die uns allen gut getan hat!